Werke und Texte

Mit der Wissenschaft hinter die Schleier
der Natur

Teil 1: Das bohrsche Atommodell

Prof. Dr. Gottfried von Purucker zeigt im Folgenden, wie nahe die moderne Naturwissenschaft der unveränderbaren geheimen Wissenschaft der archaischen Zeitalter schon gekommen ist und noch kommt. Wir leben tatsächlich in einem wunderbaren Zeitalter. Moderne Wissenschaftler sind dabei, mehr als Wissenschaftler zu werden; sie werden zu wissenschaftlichen Mystikern.

Nils Bohr
Niels Bohr, 1885–1962
Im Jahre 1913 entwickelte der dänische Physiker Bohr eine außerordentlich interessante Vorstellung von dem physischen Atom, die sich in gewissem Grade den Lehren der Esoterischen Philosophie nähert. Trotz der Modifikationen der bohrschen Theorie, die seit 1913 erfolgt sind, werden elektromagnetische und andere Phänomene der Natur mit fast unheimlicher Präzision in dem Sinne erklärt, dass das physische Atom eine Art Sonnensystem en miniature und andererseits unser Sonnensystem sowie jedes andere Sonnensystem ein kosmisches Atom ist.

Bohrsches Atommodell
Bohrsches Atommodell
rot: Atomkern
blau: Elektronen
Jedes Atom hat seine atomare „Sonne“, welche die Wissenschaftler heute ein Proton oder ein Aggregat von mit Elektronen verbundenen Protonen nennen. Ebenso hat es seinen oder seine Planeten, Elektronen genannt, die mit unglaublicher Geschwindigkeit um ihre zentrale atomare Sonne herumwirbeln. Im Falle des Wasserstoffatoms, das heute für den Urbaustein der physischen Materie gehalten wird, haben wir nur einen Planeten oder ein Elektron mit seinem einen Proton oder seiner einen atomaren Sonne. Der große Wert der bohrschen Vorstellung besteht darin, dass sie analog ist: Sie folgt dem Muster, das durch andere und größere Strukturen und Prozesse der Natur gegeben ist. Was die Natur an einer Stelle tut, wird logischerweise, ja mit Notwendigkeit an anderen Stellen wiederholt, weil sie ein fundamentales letztes Gesetz, einen letzten fundamentalen Aktionsablauf verfolgt, der allenthalben in ihrem Gesamtbereich wirksam ist. Bohrs Vorstellung ist ein unbewusster Tribut an die sehr alte und esoterische Lehre von der Analogie, denn Analogie ist eine Folgerungsmethode, die auf der Natur selbst und allein auf ihr beruht. Trotz vieler, zum Teil sehr erregter Gegenäußerungen tritt sie in modernen Zeiten mehr und mehr als eine Art Schlussfolgerung in Erscheinung, der unsere modernsten wissenschaftlichen Theoretiker oder Theorien vielleicht nur halb bewusst folgen. Es muss jedoch bemerkt werden, dass es auch so etwas wie falsche Analogien gibt, auf die man nur zu leicht hereinfällt und die folglich unrichtige Darstellungen der Funktionen und Vorgänge der Natur sind; und vor diesen falschen Analogien muss der Schüler ständig auf der Hut sein.

Ein Miniatur-Sonnensystem – das Atom

Bohrs Theorie, das Atom sei eine Art Miniatur-Sonnensystem, steht zumindest in Einklang mit der gesamten Natur, so wie wir sie kennen, einerlei, welche Mängel man in Zukunft dieser Theorie wird nachweisen können. Sie basiert auf analoger Schlussfolgerung; sie ist nicht eine bloße Hypothese, die in einer vorübergehenden Phase der modernen Physik ... willkürlich entwickelt wurde, um einem vermeintlichen Bedürfnis entgegenzukommen oder einem vermeintlichen Mangel abzuhelfen. Es ist gerade die Verbindung analoger Schlussfolgerung mit der anderen wissenschaftlichen Idee, dass die Substanz der Materie essenziell Kraft sei, auch wenn sie von Bohr halb unbewusst vollzogen wurde, die dem Schüler der Esoterischen Philosophie das Bohr-Atom so anziehend macht, zumindest in seinem allgemeinen Umriss. Die Zeit wird zeigen, wie viel Wahrheit Bohrs Bild vom Atom enthielt und wie viel Wahrheit in späteren Theorien über die atomare Struktur steckt – die Zeit und auch die Experimente, die von wirklich bemerkenswerten Forschern der physikalischen Chemie durchgeführt werden. Ob zukünftige Forschung zeigen wird, dass Bohr oder irgendein späterer Forscher exakter in der Entwicklung einer Vorstellung von der atomaren Struktur war, macht für unseren gegenwärtigen Zweck nicht das Geringste aus. Die wesentlichen Vorstellungen scheinen in fast allen modernen Theorien über die atomare Struktur mehr oder weniger dieselben zu sein. Sie besagen, dass das Atom fast nur aus Hohlräumen besteht oder aus ätherischen Räumen aufgebaut ist und dass die Partikel der Substanz, die es enthält, hauptsächlich aus Elektrizität bestehen – mannigfaltig zusammengesetzt aus ihren „positiven“ und „negativen“ Eigenschaften oder Teilen.

So besteht also die physische Welt, die für unsere Sinne scheinbar so fest ist, wenn man sie auf Atome reduziert, hauptsächlich aus Hohlräumen, Zwischenräumen oder ätherischen Räumen, die hauptsächlich mit Partikeln negativer und positiver Elektrizität, Elektronen, Protonen, Positronen und so weiter, angefüllt sind, die wechselseitig aufeinander wirken und durch ihre gemeinsame Arbeit die gesamte physische Welt und ebenfalls alle sie zusammensetzenden Teile aufbauen.

Die Umlaufgeschwindigkeit ist unvorstellbar

Unglaublich ist die Geschwindigkeit der Bewegung, die diesen elektrischen Partikeln von der modernen wissenschaftlichen Theorie zugeschrieben wird. Dr. E. E. Fournier d'Albe schrieb 1928 im Londoner „Observer“ über die Bahnen dieser Elektronen und ihre Geschwindigkeit beim Verfolgen ihres mutmaßlich kreisähnlichen Laufes um ihre atomare protonische Sonne:

„In diesem Miniatur-Sonnensystem (des Atoms) würde das Jahr durch die Zeit eines Umlaufs (eines Elektrons) um die zentrale 'Sonne' dargestellt werden. Da diese Umläufe im Tempo von einigen Billionen Mal in einer Sekunde vor sich gehen, so ist es klar, dass, wenn wir auch nur für einen Augenblick zuschauen, ungezählte Zeitalter und geologische Ären atomarer Zeit verstreichen.“

Professor W. F. G. Swann vermittelte eine modernere Anschauung von der atomaren Zeit, die auf einem elektronischen Umlauf oder einem elektronischen Jahr beruht, verglichen mit menschlicher Zeit (siehe „The Architecture of the Universe“, S. 56f., 1934).

Es gibt Wesen im Universum, deren Zeitbewegung so langsam ist, dass für sie der Umlauf unseres Planeten Terra um unseren zentralen Himmelskörper, den wir als ein Jahr bezeichnen, eine unberechenbar kurze Zeitperiode wäre, vorausgesetzt, wir würden unser Sonnensystem als ein „kosmisches Atom“ ansehen – eine Lehre der Esoterischen Philosophie –, wie es von intuitiven Wissenschaftlern genannt wird. Es wäre für sie sogar unbedeutender als der Umlauf eines Elektrons um seine atomare Sonne, was ein atomares Jahr ausmacht, das für uns zeitlich sehr gering ist. Andererseits würde eines unserer Jahre für unendlich kleine Wesen quasi eine Ewigkeit sein. Wir könnten sie uns mit vollkommener Berechtigung auf einem atomaren Elektron lebend vorstellen – auf einem der atomaren Planeten –, auf dem sie ihre Lebenszeit verbringen.

Das Leben unseres Universums ist, wenn der Ewigkeit gegenübergestellt, sozusagen nur ein Augenblinzeln; uns aber erscheint es als eine Quasi-Ewigkeit, denn es währt Billionen menschlicher Jahre. So betrachtet, ist das Menschenleben nur ein flüchtiger Augenblick in endloser Dauer, obwohl es von ungeheurer Zeitlänge ist im Vergleich zu dem verwirrend schnellen Erscheinen und Verschwinden der Infinitesimalen in der atomaren Welt.

Ferner wird von Wissenschaftlern gesagt, dass die atomaren Entfernungen, die Elektron von Elektron und diese von ihrem protonischen Zentrum oder ihrer Sonne trennen, im Atom relativ ebenso groß sind wie die  Entfernungen in unserem kosmischen Sonnensystem, die Planet von Planet und diese von unserer Sonne trennen. Es besteht kein Grund, warum diese äußerst eindrucksvolle Lehre, Erklärung oder Behauptung der modernsten Naturwissenschaft, nicht wahr sein sollte.

Raum und Zeit – alles ist relativ

Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass alle Dinge in diesem Universum für uns relativ sind und dass folglich die mutmaßlich fundamentalen Dinge wie Raum und Zeit ebenso relativ sind wie alle anderen darin enthaltenen Dinge. Beide, Raum und Zeit, sind, wie die Esoterische Philosophie lehrt, mâyâvisch oder illusorisch in der Hinsicht, dass weder Letztere noch Ersterer – wenn wir dem Ausdruck „Raum“ die Bedeutung von Ausdehnung geben – etwas Äußerliches sind. Da sich die Anwendung der Ausdrücke „Raum“ und „Zeit“ hier nur auf physische Dinge oder „Ereignisse“ bezieht und diese daher unmissverständlich vorübergehend sind, kann keines von beiden „absolut“ genannt werden; und dies ist nach Einstein in diesem Aspekt oder Teil seiner Relativitätstheorie durchaus richtig. ...

Atome – unendlich kleine Kopien. Es gibt keine Leere.

So sind, modernen wissenschaftlichen Ideen zufolge, auch die Atome aufgebaut, die unseren Körper bilden. Sie sind somit unendlich kleine Kopien, sie wiederholen die Reflexionen jenes größeren kosmischen Atoms, das gemäß menschlicher Kenntnis das Sonnensystem genannt wird. Da die interplanetarischen Räume leer oder nahezu leer erscheinen und keine physischen Dinge sichtbar sind, wird von „leerem Raum“ gesprochen; ebenso ist auch unser Körper hauptsächlich eine solche „räumliche Leere“. Doch darf man keinen Augenblick lang meinen, dieses „Vakuum“ sei tatsächlich ein „Nichts“ – eine Idee, die absurd ist. Die sogenannten Leerräume sind mit „ätherischen“ Substanzen angefüllt, geradeso wie die kosmischen Räume unseres Sonnensystems und die größeren kosmischen Räume unseres galaktischen Universums mit kosmischem Äther angefüllt sind.

 

Fortsetzung in Teil 2: Die Illusion der Materie >

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